Tag 7 | Von Midelt bis in die Wüste

Gestern Abend ging es bis Midelt, ein kleines Kaff im Nirgendwo. Morgens beim Frühstück läuft, offensichtlich palästinensisches, Propaganda-Fernsehen, sehr aufgeregt in Ton und Lautstärke. Wir sind früh dran, denn heute müssen wir tatsächlich in eine Werkstatt, Sir Lawrence hat ‚Meniskus‘ – die Kupplung hat ein Problem. Dass dieser Tag der bisher beste der Reise sein wird – das ist morgens noch nicht absehbar.

Die Werkstätten im Ort sehen knapp unterhalb von wenig vertrauenserweckend aus. Überall nur gefledderte Blechleichen, Öllachen auf der Straße und keine Fachkundigen weit und breit zu sehen. Also doch los auf die Piste, irgendwo wird sich schon eine angemessene Schrauberstätte finden.

Nach einer Stunde wird Cord ungeduldig, bloß keinen unnötigen Kupplungsausfall im dünn besiedelten Nirgendwo riskieren. Also zack abbiegen in einen nächsten kleinen Ort. Dort weist Google die „Auto Diagnostique Germani“ aus, das hört sich doch gut an. Leider keiner da. Es sieht hier auch nicht superprofessionell aus. Hinter dieser schmalen Tür wird sich keine Hebebühne sein. Nebenan wohnt sein Kumpel mit einer kleinen ‚Autowäscherei‘. Der ruft den gesuchten Mechaniker herbei, ein cooler, lustiger Farbiger. Als er seine Werkstatt aufschließt bekommen wir einen Schreck. Ein totales Durcheinander von Werkzeug, Teilen, Schrott und Hausrat. Wir suchten eigentlich einen Profi mit Hebebühne.
Seine Lösung: Wir fahren in die Autowäsche bei seinem Kumpel nebenan und schrauben dort. Oha!! Wir können qua Sprachbarrieren leider nicht wirklich geschickt miteinander kommunizieren. Irgendwas mit Kupplung hat er wohl verstanden. Med Rich, so heißt der junge Schrauber, krabbelt sofort unter’s Auto und will loslegen. Cord versucht ihm klarzumachen, dass wir erstmal nur die Kupplungsflüssigkeit austauschen wollen. Als LowLevel-Reparatur sozusagen. Am Schluss hilft deepl mit deutsch-arabischer Übersetzung. Der Versuch des simplen Flüssigkeitsaustausches schlägt leider fehl und so muss unser einziges Ersatzteil verbaut werden, der Kupplungszylinder. Den hat ‚der Seher’ Cord in weiser Voraussicht am Tag vor dem Start noch eingepackt.

Glück muss man haben. Med Rich verbaut das Teil in Windeseile und tatsächlich sind wir nach 90 Minuten und einer Menge Spaß wieder flott. Fünf Euro wollen die beiden haben – ich gebe ihnen zehn. Die obligatorischen Fotos und zurück auf die Strecke. Das Schalten macht jetzt wieder richtig Freude.

Nächste Kurve, nächstes Erlebnis. Der Tag nimmt jetzt richtig Fahrt auf. Unbemerkt hat sich das Gelände völlig verändert: Karge Berge um uns herum, Landschaft ohne Ende. Rechts ran, dort steht eine dieser mobilen Kaffeemaschinen: Typen, die eine passable Siebträgermaschine hinten in einen Renault Kangoo verbaut haben. Das daraus gezauberte Koffeinextrakt schmeckt hier in der Regel richtig gut.

Einer der Jungs an DIESEM Halt, wir nennen ihn Pelé, geht auf Krücken und spricht sehr gut deutsch. Und englisch und französisch und spanisch. Wir kommen ins Gespräch und Pelé erzählt uns viel von Sitten und Gebräuchen, von Land und Leuten, Wirtschaft und Politik. Wirklich unglaublich spannend und interessant. Er ist Fremdenführer und pflückt Datteln von Palmen. Und dabei ist er vom Baum gefallen. Einen echten Arzt konnte ersich nicht leisten (1.000€ für die OP) also ging er als Berber zum Berber-Arzt. All das und viel mehr hat er uns erzählt und dabei viel gelacht. Nebenbei hat er uns kunstvoll ein Glückskamel aus einem Palmblatt geflochten. Soll dem Auto und uns viel Glück bringen und vor Bösem beschützen.

( Die Anwendung müssen wir noch über: Ein paar Kilometer weiter ist Cord gleich in eine Radarfalle gefahren, 150 Diram Strafe, umgerechnet 15 €. Hätten wir diesen Punkt also auch erledigt)

Zum Abschluss fragt uns Pelé, ob wir etwas zum Tauschen haben. Schweinefleisch vielleicht. SCHWEIN!! Hallo!?!. Er ist doch Moslem. Neee, antwortet er mit verschmitztem Lächeln, nur Moslem light. 😂Einen unserer Fußbälle bekommt er auch noch zum Abschied. Für seine Kinder. Sieht lustig aus, wie er mit seinen Krücken und Fußball in der Hand dort steht und uns hinterher winkt.

Wenig später bekommt Cord wie gesagt sein ‚Zeugnis‘ ausgestellt, 77 km/h statt 60 km/h. Wir lachen mit einem der drei Sheriffs herzlich – er spricht deutsch ! – als wir gemeinsam ‚Auf Wiedersehen‘ sagen, es aber wirklich gar nicht so meinen.

In der Oase Maison Vallée Du Ziz verbringen wir die Mittagspause beim Lammeintopf und Cola. Hinten im Garten läuft die traditionelle Bewässerung: Kleine Kanäle in denen das Wasser frei zwischen den Beeten, Feldchen und Bäumen hin- und herläuft. Ein wunderbarer Ort.

Der Höhepunkt des Tages liegt jetzt vor uns.  Von weitem schon kann man die großen Dünen von Erg Chebbi, bei Merzouga sehen. Hier ist richtig Wüste. So RICHTIG. Je näher wir kommen, desto eindrucksvoller wird die Landschaft. Wir sehen die erste Offroad-Kolonne links von uns. Das müssen wir sofort auch probieren, also rein ins Gelände. Aber nur kurz, die Sonne steht schon tief. Also schnell hin zu dem Punkt, den Kate und Mike, zwei Ärzte, die auch die Rallye bis Banjul mitfahren, uns per WhatsApp geschickt haben.

Ein Campingplatz direkt am Rande der Wüste mit Zugang in die Dünen. Der Oberhammer. Wir stellen Sir Lawrence direkt neben Kate und Mike und quatschen den ganzen Abend auf der Düne, wir mit Rotwein, die beiden mit alkfreiem Bier. Dabei sehen wir einen atemberaubend schönen Sonnenuntergang, der die Dünen in unendlich viel Gelb, Orange- und Brauntöne taucht.
Unser Zelt stellen wir oberhalb mitten in die Dünen, um uns herum nur Sand. Der Sternenhimmel ist unbeschreiblich, die Milchstraße ist quasi nur in Armeslänge entfernt, wie anfassbar. Ein paar Sternschnuppen schiessen durch das Firmament, Satelliten ziehen ihre Bahn.

Momente für die Ewigkeit.

Fotos von diesem denkwürdigen Tag gibt es hier und hier.


Strecke: ~400 Kilometer durch Berge, Ebene und Oasen
Wetter: Es ist heiß, verdammt heiß 
Team: zunächst grummellig, nach den Erlebnissen fröhlich 
Sir Lawrence: Nach Behebung des Meniskusschadens geht wieder alles

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