Heute wird es ein harter, ein verdammt harter Tag. 05:00 Uhr aufstehen, einen Kaffee einwerfen, 06:00 Uhr Abfahrt. Die Schlussetappe verläuft über fast 700 Kilometer von Saint Louis durch Senegal bis zum Zieleinlauf in Banjul. Am Ende werde ich sechzehn extrem anstrengende, meist sehr heiße Stunden im Sattel gesessen haben.
Als wir um kurz nach sechs Uhr am Morgen loskommen, ist es noch dunkel und angenehm kühl. Jetzt vor Sonnenaufgang sind erst wenige Menschen in der gestern noch so unfassbar quirligen Stadt auf den Beinen. Auch die Strassenverhältnisse um Saint Louis sind sehr gut und so kommen wir zunächst gut voran.
Die Landschaft hat sich wieder ein Stück verändert, es ist noch grüner geworden, wir sehen Schilf in Flussniederungen und die ersten mächtigen Affenbrotbäume. Ich lese nach, dass einige dieser Kolosse über 400 bis gar 600 Jahre alt sind. Zeugen einer vielleicht besseren Vergangenheit.
Und noch etwas hat sich verändert. Wir fahren im Senegal durch einige müllfreie (!) Orte. In Kébemér zum Beispiel sehen wir nur saubere Straßen; einige Bewohner kehren gerade restliche Abfälle zusammen. Vielleicht gibt es doch Möglichkeiten, diesen afrikanischen Plastikalptraum in den Griff zu bekommen.
Leider bleiben diese Orte auch auf dieser Etappe eher die Ausnahme.
Entlang der Strecke sehen wir heute immer mehr große Herden an Schafen, Ziegen und sogar Rindern. Zeugnisse von Wohlstand. Nachdem wir es gestern in Saint Louis nicht bis zum Viehmarkt geschafft haben, sehen wir heute unterwegs gleich zwei davon. Sehenswert, aber leider haben wir keine Zeit für einen Zwischenstopp. Auch auf die Mittagspause wird heute verzichtet – das heißt schon was.
Die Stadt Touba umfahren wir auf einer lupenreinen OffRoad-Piste mit reinstem „Paris-Dakar“-Feeling: Roter Staub, kleine Ortschaften, Mengen an singenden und klatschenden Kindern am Streckenrand. Und wir sehen die ersten größeren Erdnussfelder. Scheinbar geht die Erntezeit gerade zu Ende.
An einer eigentlich harmlosen Passage verlieren wir Team Canada. John nimmt eine Bodenwelle falsch, es gibt einen lauten Knall. Die Ölwanne des VW Caddy wird aufgerissen – eine große häßliche Öllache im Staub bezeugt den Totalausfall. Ärgerlich so kurz vor dem Ziel, aber der Caddy muß jetzt an den Haken von ORG Falk. Auch der VW Passat von Team „Formel Heinz 4“ fährt nur noch als Wimpel mit, die Probleme mit der Antriebswelle sind mittlerweile irreparabel.
In der quirligen Stadt Kaolack kommt der Tross immer wieder zum Stehen. Unfassbar viele Motorroller und dreirädrige TukTuk kurven in wilder Fahrt um uns herum. Reiner Zufall, dass hier niemandem aus dem Tross etwas passiert.
Leider ändert sich das einige Kilometer weiter. Das abgeschleppte Team Canada und ORG-Falk im Zugfahrzeug werden in einen Unfall verwickelt. Eine vom Gegenverkehr erzwungene Vollbremsung bewirkt, dass der Caddy sich um die Zugstange wickelt, diese bricht und auf der Motorhaube einschlägt. Glück im Unglück – es bleibt bei verbogenem Blech.
Irgendwann am späten Nachmittag erreichen wir endlich und schon sichtlich erschöpft die gambische Grenze.
Meine Erfahrung ist: Grenzübergänge sind irgendwie auch immer ein Aushängeschild des jeweiligen Landes, in das man einreist.
Wenn dem hier auch so ist – na dann gute Nacht! Rumpelige Straße, verbogener Schlagbaum, völlig unübersichtlich wer/was/wo, nervige Warterei an der Passkontrolle und dann Hektik, als ich weiterfahren soll. Dazu laufen zwischen den Autos aggressiv bettelnde Kinder umher. Na das kann was werden.
Und dann treffen wir Heinz, den Gründer und Kopf der Charity-Organisation DBO. Obwohl wir uns bisher nicht kennen, gibt es eine herzliche Begrüßung.
Mit ihm an der Spitze des Konvois fahren wir dann endlich nach Gambia hinein und überqueren als erstes die lange Senegambia-Brücke. Das mächtige erst 2019 eröffnete Bauwerk überspannt den Fluss Gambia und steht für eine kurze, interessante Episode des Landes. Für ein paar Jahre waren Gambia und der umgebende Senegal assoziierte Nationen. Doch mach sieben Jahren wurde dieses Experiment wieder beendet. Und wie sollte es anders sein: Oben auf dem Scheitelpunkt der Brücke steht jemand und repariert dein Auto. Mitten auf der Fahrbahn. 🤦♂️
Ganz cool: Gambia ist mein 50. Länderpunkt. Jetzt haben wir es fast geschafft, nur noch 170 Kilometer entlang des Flusses Gambia. Die werden allerdings auch sehr nervtötend, denn sei Einbruch der Dunkelheit fahren wir mit eingeschaltetem Warnblinker. Drei Stunden lang blinkenden Lichtern hinterher fahren: Das hält man fast nicht aus! Zwischendurch noch einmal Zwangspause. Der gezogene Passat konnte einem der bald halbmetertiefen Schlaglöcher nicht mehr ausweichen. Angehängt an einen Transporter sieht man auch fast nix. Der Reifen platzt, die Stahlfelge ist massiv verbogen. ‚Formel Heinz‘ hat aber reichlich Ersatzräder dabei, und so rollen wir nach -5 Minuten weiter.
Und dann taucht endlich Banjul vor uns auf, besser gesagt sie vorgelagerte Stadt Serekunda. Hier befindet sich das DBO Hauptquartier und das ‚Blue Kitchen‘, eine Art Vereinsgaststätte. Gegen 21:30 Uhr ist es dann soweit, Zieleinlauf vor dem Blue Kitchen. Nach 21 Tagen hat Sir Lawrence 8.170 Kilometer auf der Uhr! Reife Leistung. Wir werden herzlich vom Team des Restaurants und einigen aus der DBO-Community empfangen. Eine Mischung aus YES WE DID IT, Stolz und Erleichterung macht sich breit. TEAMS fallen sich gegenseitig in die Arme, jeder beglückwünscht jeden, das Bier fliesst in Strömen. Es fühlt sich richtig gut an!
Wir essen gemeinsam zu Abend und lassen diese Etappe und ein bisschen auch schon den Fahr-Teil der Rallye bei angeregten Diskussionen ausklingen.
Alle anderen haben scheinbar ihre Unterkunft hier in Banjul schon vorgebucht. Wir müssen das noch schnell nachholen und landen im Afro Garden, einer kleinen, aber sehr feinen Herberge mit Pool in der Nachbarschaft.
Erledigt fallen wir gegen 00:30 Uhr in die Betten, ich brauche dringend eine Mütze Schlaf!
Strecke: ~680 anstrengende Kilometer,
Wetter: die meiste Zeit brutal heiß
Team: genervt von Hitze, Konvoifahrt und ewigem Warnblinklicht
Sir Lawrence: Es quietscht und klappert vorn rechts erheblich
Diese Erlebnisse sind für dein Leben.
Die wirst du nie vergessen.
Herzlichen Glückwunsch von deiner Evi.