Tag 19 | Ein Tag in St.Louis, Senegal

Für mich passen Rallye und Touri-Programm eigentlich nicht recht zusammen. Rallye, das ist für mich hauptsächlich über’s Land fahren, Lebensweisen sehen, Nebenstraßen, Zufälle. Heute ist es anders. Wir haben einen weiteren Tag Rast, diesmal in der Küstenstadt Saint Louis. Und das ist gut so – hier kann man Afrika wirklich spüren.

Aufgrund ihrer Lage – das Herzstück der Stadt ist eine vom Festland abgetrennte längliche Insel – gilt Saint Louis als das Venedig Afrikas. Mit dem Festland ist die Insel über eine lange Brücke verbunden. Seit 2000 zählt die Île de Saint-Louis zum UNESCO Weltkulturerbe. Vor der Insel mit der historischen Altstadt liegt eine unendliche lang gestreckte Landzunge, in deren Mitte der schmuddelige, heruntergekommene und total chaotische Stadtteil Ndar liegt. Wir sind letzte Nacht schon durch die ‚Ziegenstrasse’ gefahren. Berühmt ist dieser Fischort für seine unfassbare Anzahl an bunten Fischerbooten, die jeweils individuell bemalt, in unendlicher Farbpracht leuchten.

Das alles dürfen wir uns nicht entgehen lassen und fahren mit dem Taxi auf die Insel in die Mitte der wirklich sehenswerten Altstadt. Viele andere Rallyeteilnehmende verbringen den Tag heute am Pool oder am Meer – wir aber wollen lieber mitten rein in‘s Getümmel.

Gegründet wurde die Stadt 1659 als erste  Siedlung in Afrika. Viele Gebäude der Ile de Saint Louis, der Altstadt, zeugen von der kolonialen Vergangenheit. Auch wenn viele der alten Gebäude heruntergekommen sind – dieser Teil der Stadt strahlt einen wirklichen anmutigen Charme aus. Wir lassen uns durch die Straßen und Gassen treiben, genießen die Szenen. Ein paar der Häuser sind überwuchert von rosa/weiß leuchtenden Bougainvillea, das allein erzeugt Atmosphäre.
Unser zweites Ziel liegt auf der anderen Seite der Brücke, auf dem Festland. Wir steuern direkt den Markt an, hier pulsiert das Leben. Wie schon in Nuakschott gibt es hier auf dem Markt wirklich alles, was Mensch zum täglichen Leben benötigt. Die Gassen sind eng und über und über voll von fliegenden Händlern, kleinen Läden, Marktständen und Dienstleistungsbetrieben aller Art. Die Kamera (die wir zumeist versuchen unbemerkt bedienen) glüht, weil es sooo viel tolle, bunte Motive gibt. Oftmals ist es jedoch nicht angemessen, die Kamera draufzuhalten, so prekär sind die Szenen.

Wir lassen uns weitertreiben und entdecken – direkt im Getümmel – einen ‚lost place‘. Mitten in der Stadt, erreichbar nur durch ein Loch in der Mauer, stehen wir plötzlich in einem verfallenen Fußballstadion. Es ist, als können man noch den verhallten Jubel der Massen hören…

Weiter geht’s, wir wollen den Bahnhof sehen. Soll ein Geheimtipp sein. Das eine alte Gleis ist verlassen, stattdessen ist es eine Art Hinterhof-Busbahnhof. Duzende Kleinbusse laden Leute ein oder aus. Keine Schilder, keine Pläne, einfach nur ein großes Durcheinander. Dahinter schließt sich eine Menge großer offenerer Werkstätten an, in denen versucht wird, auch den schlimmsten, toten Blechleichen wieder irgendein Stück Leben einzuhauchen.
In einer Tankstelle ergattern wir zwei Dosen eiskaltes Bier – genau die passende Erfrischung in der brütenden Hitze. In einem Park an der Brücke – eine Oase der Ruhe mitten in diesem Wahnsinn – genießen wir den Hopfen und diskutieren uns wieder einmal die Köpfe heiß. Wie so oft geht es darum, diese Bilder, diese Eindrücke irgendwie angemessen zu verarbeiten.

Unser nächstes Ziel ist der vorgelagerte Stadtteil Ndar mit seinen bunten Fischerbooten und dem ‚Fischmarkt‘. Und wieder denke ich: „Das ist das Abgefahrenste, was ich je gesehen habe“. Auf der Seeseite erstreckt sich ein Strand, der übervoll ist mit den bunten großen Fischerbooten. Auf einem Bootsrumpf prangt groß ein FC Bayern-Logo, dann auf einem anderen der BVB und zum Schluss Hakenkreuze. 🤦‍♂️ Und zwischen den Booten: Müll, MÜLL. In unfassbaren Mengen. Und dazu wieder: Kinder jeden Alters, Schafe, Ziegen, Katzen, Kochstellen, Wäscheleinen, Netze knüpfende Männer, frisch gefangene Fische und deren Abfälle. Diesen Anblick und diese Gerüche – kann man nur schwer beschreiben und kaum in Bildern festhalten. Versteckt hinter einem umgekippten Boot lasse ich unbemerkt die Drohne steigen, vielleicht kann ein kurzer Film von oben diese Eindrücke einfangen.
Auf dem Weg auf die andere Seite der Landzunge sehen wir plötzlich einen alten Kickertisch vor einem Laden stehen. Flugs ein paar Taler eingeworfen, ich will Cord zeigen, wo def Frosch die Locken hat. Aber Pustekuchen, wir sind sofort umringt von zwei Dutzend Kindern. Und so spielen wir abwechselnd mit den Kindern des Viertels, immer drei Kids an jeder Kickerstange, bis unser Kleingeld alle ist. Bei jedem Tor jubeln alle mit. Momente, die wir gewiss niemals vergessen werden.

Wir ziehen weiter auf die stadtzugewandte Seite der Insel, vorbei an einem riesigen Friedhof. Dort, im ambienten Licht der tief stehenden Sonne, wollen wir mit der Drohne nochmal schicke Bilder der bunten Fischerboote einfangen. Das gelingt im zweiten Anlauf tatsächlich auch, wobei ich fast mein Handy verloren habe. Nur durch Zufall, als wir auf dem Weg zum Hotel ein Taxi anhalten wollen, fällt mir die leere Tasche auf. Wir müssen schnell zurück an de nächste Ort, wo ich wohl das iPhone hab liegenlassen.

Zufällig kommt ein dreiräderiges Lastenmoped vorbei, das prompt auch anhält. Der coole Fahrer findet nicht nur mit Cord das Handy. Nein, er fährt uns auch noch bis zu unserem Hotel. Sooo cool.

Im Hotel genießen wir noch ein hervorragendes Abendessen und zwei leckere Getränke, bevor wir mit ‚Stack Overflow‘ müde ins Bett fallen.
Das Rauschen des nahen Meeres wiegt uns in den Schlaf.

Eine Antwort auf „Tag 19 | Ein Tag in St.Louis, Senegal“

  1. Das sieht echt unbeschreiblich spannend, leuchtend und pulsierend aus – beeindruckend im wahrsten Sinne des Wortes wohl unbeschreiblich…Danke, dass es dir trotzdem gut gelungen ist! 🙂

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