Heute wird es Ernst, wir setzen von Algeciras mit der Fähre nach Marokko über.
Der Wecker klingelt früh, damit wir pünktlich zur Fähre kommen. Nach dem Frühstück müssen wir erstmal das Auto umpacken. Nach unseren gestrigen Offroad-Eskapaden liegt im Stauraum nix mehr an seinem Platz. Außerdem müssen einige Getränkevorräte noch den neugierigen Blicken von Grenzkontrolleuren entzogen werden.
Vor der Abfahrt benötigt Sir Lawrence noch etwas Pflege. Schon gestern Abend ist uns ein Pfeifen aufgefallen. Ein Blick unter die Motorhaube verrät den Grund: Der Ansaugschlauch des Turboladers ist abgerutscht und wird wieder montiert. Jetzt atmet der Junge wieder sicherer und geräuschlos.
Pünktlich 10:35 Uhr kommen wir im unübersichtlichen Fährhafen an, die meisten anderen Teams sind schon da. Wir bekommen Tickets und Instruktionen in die Hand, das ist hier akribischer als bei einer Busreise organisiert. Dann heißt es warten, warten, warten in der sengenden Sonne.
Da kann ich nochmal etwas Hintergrund zur Rallye erzählen. Wir werden ja häufig nach dem „Warum“ gefragt. Neben der Abenteuer- und Charity ist es vor allem das Leben im Moment, das den Reiz dieser Form des Reisens ausmacht. Die Zeitblase, in der ich mich befinde, schrumpft nach dem Losfahren auf ein paar wenige Stunden zusammen. ‚Morgens nicht wissen, wo ich abends meinen Hut hinhänge‘. Ich glaub‘ das heißt Freiheit.
Während wir hier stehen: VIELEN DANK an alle Spender und Unterstützer, die so unendlich großzügig unser Charity-Projekt unterstützen. Wir haben jetzt den Betrag von 10.000 € überschritten. Das ist einfach großartig!, wir sind sehr, sehr dankbar dafür. Doc Sol in Gambia wird sich sehr über unser Mitbringsel freuen.
Dann geht es los, wir dürfen auf die Fähre. Tschüß Europa, hallo Afrika. Tatsächlich dauert die Überfahrt nicht sehr lange, man kann die marokkanische Küste ja schon beim Losfahren sehen. Das Mannschaftsfoto auf dem Vorderdeck verpassen wir – lieber sofort die Einreisepapiere bekommen. Runter vom Schiff, rein in’s Land – das geht tatsächlich viel einfacher als gedacht, die marokkanischen Grenzer sind sehr entspannt. Mist, wir hätten doch mehr San Miquel mitnehmen sollen. Hinter der Grenze tauschen wir wie befohlen ordentlich Geld. Die Atmosphäre ist etwas bedrückend, denn hinter dem Grenzzaun stehen Duzende Illegale, die laut rufen und offenbar Hilfe von uns wollen. Marokkanische Aufpasser hindern uns daran, näher heran zu treten oder gar Fotos zu machen. Ungutes Gefühl.
Wir gehören zu den ersten, die auf die Autobahn gehen und zu den ersten, die an der nächsten Tankstellen eine SIM kaufen. Gut so, denn bald hat sich eine Riesenschlange gebildet, weil jeder ein günstiges Datenvolumen schießen will. Nach kurzer Zeit ist der Tankwart ausverkauft und Unmut macht sich breit.
Während die meisten Rallyeteilnehmer nach Roadbook direkt das ersten Etappenziel ansteuern, wollen wir in den kommenden Tagen lieber eine Riesenschleife durchs Landesinnere machen. Viele andere trauen sich diese Tortur nicht zu.
Unterwegs sehen wir abenteuerlich beladene und überladene LKW und Kleintransporter mit Personen auf dem Dach (!). Die Autobahn geht schnell in eine Regionalstraße über, die gerade zur Schnellstraße ausgebaut wird. In der Dämmerung sind die Grenzen zwischen befahrbarerer Straße und Baustelle nicht mehr klar zu erkennen. Trotzdem fahren alle überschnell. Für diese Verkehrsführung und Baustellensicherung würde man in Deutschland sicher im Gefängnis landen. Unterwegs in einer Kleinstadt sehen wir, wie ein junger Mann hinten auf einen langsam fahrenden LKW aufspringt und unbemerkt von hinten auf das Dach klettert. Oben angekommen fährt er als blinder Passagier auf dem Tonner mit. Fast so wie im Handy-Game SubwaySurfers.
So fahren wir bis zum frühen Abend und landen wie geplant in Chefchauen, der blauen Stadt. Der Weg dorthin hat sich wirklich mehr als gelohnt, denn unsere Unterkunft liegt – anders als geplant – mitten in der verwinkelten Altstadt. Mit dem Auto nicht zu erreichen. So nehmen wir einen bewachten Parkplatz unterhalb dieser Zone und bitten die Parkplatzwächter uns den Weg zu weisen. Das tut er auch bereitwillig und begleitet uns persönlich durch die wunderschönen blau getünchten Gassen bis vor das hutzelige Hotel. Nicht ohne uns mehrfach eindringlich sein spezielles getrocknetes Gras anzubieten. Er bleibt nicht der einzige. An jeder zweiten Ecke werden wir angequascht.
Das Hotel ist der Hammer, ein Gebäude mit ‚RIAD‘, einem wunderschönen, quadratischen Innenhof, um den sich vierstöckig im Geviert die Zimmer gruppieren. Wirklich sehenswert. Nachdem wir uns kurz frisch gemacht haben, suchen wir in den Gassen nach einem Restaurant mit RoffTopBar. Finden wir nicht und werden deshalb von einem Parkplatzwächter angequatscht, der uns führt und prompt wieder ‚getrocknetes Gras‘ andrehen will.
Der Abend geht in diesem phänomenalen – natürlich gänzlich blauen – Restaurant bei einer leckeren Fischplatte zu Ende. Großartiger erster Tag in Afrika.
Strecke: ~600 Kilometer und ein Stück Fähre
Wetter: Es wird mollig warm
Team: Aufgeregt, jetzt kommt Afrika
Sir Lawrence: Wir schließen Frieden und stellen sein Pfeifen ab.
Schwager du alter Abenteurer, das sind tolle Berichte. Man möchte gleich selber los….
– na dann los!!