Heute ist einer der beeindruckenden, bedrückenden Tage dieser Reise.
Die Nacht war verdammt kurz, um 08:00 Uhr wollen wir schon los, raus aus der Wüste Richtung Meer.
Das Lager ist schnell abgebaut und der Tross setzt sich in Bewegung. Heute fahren wir bewusst in einer Reihenfolge, die ‚einfachen’ PKW vorn, dann die Transporter und zum Schluss die Allradler. Es liegen ein paar schwierige Passagen vor uns, tiefer Sand und steilere Passagen über Dünen. Heute klappt das erstaunlich gut, eigentlich gräbt sich niemand ernsthaft ein.
Am Morgen bin ich mit der Drohne geflogen, ein paar schicke Aufnahmen vom Lager und der umgebenden Wüste am Morgen. Da konnte ich den Atlantischen Ozean schon sehen. Und tatsächlich, nach der nächsten Düne taucht am Horizont das blau leuchtende Meer auf. Auf den Anblick, wo das Wasser die Wüste küsst, hatte ich mich schon gefreut.
Beim Näherkommen durch die weite flache Ebene schlägt diese Freude dann je in Entsetzen um: Der gesamte Küstenstreifen ist kilometerlang übersäht von Müll, zumeist jede Form von Plastikbehältnissen, überwiegend PET. UNSER Wohlstandsmüll hier an der menschenleeren afrikanischen Küste – es ist entsetzlich. Dabei könnte es hier eine echte Idylle sein, denn wir sehen im flachen Wasser Scharen von schneeweißen Pelikanen, Löffelibissen, Graureihern, sogar Flamingos, Kornorane und verschiedene Seeschwalben. In der Fahrerkabine von Sir Lawrence ist es nachdenklich still, denn eigentlich ist das hier ein Nationalpark. Nach 15 Kilometern gelangen wir an den Rand einer Ortschaft, El Mamghar, ein Fischerort.
Auch hier das gleiche Bild, weiß und blau hebt sich der Müll von der Landschaft ab, dazwischen einfachste, windschiefe Behausungen zwischen denen haufenweise ärmlich gekleidete Kinder spielen. Sie laufen uns hinterher, rufen laut und winken; wir fahren noch ein paar hundert Meter weiter und rasten kurz. Ein Duzend Kinder sind uns gefolgt und laufen recht offensiv bettelnd durch die Fahrzeugschlange. Einige Rallyeteilnehmer verschenken Kleinigkeiten – uns ist bewusst, dass die Kinder von Kugelschreibern und anderem Tand nicht satt werden. Einige von uns diskutieren das auch leidenschaftlich untereinander.
Immer mehr Kinder und Jugendliche kommen in unser provisorisches Lager und betteln immer aggressiver um Geschenke. Diejenigen Teams, die etwas verteilen, sind umringt von den Kindern, die sich um die besten Plätze rangeln. Cord und ich diskutieren, welche Art Hilfe hier überhaupt von Nutzen und was die Perspektive der hier lebenden Menschen sein kann.
Aus einem der Autos verteilt jemand Kugelschreiber – mit dem Konterfei einer großen Oppositionspartei. Entweder funktionieren sie nicht richtig, oder die Kinder wissen nichts damit anzufangen. Jedenfalls liegen schon nach kurzer Zeit viele davon auf dem staubigen Boden herum und gesellen sich zum Rest des hier überall herumliegenden Mülls.
Übrigens bin ich bis jetzt in meiner Rolle als Bord-Apotheker in unserem Team noch nicht zum Einsatz gekommen. C&C geht es bestens, nur die Sonne macht die Birne ein wenig matschig.
Eigentlich sollte der Konvoi ab jetzt auf dem Strand direkt an der Wasserlinie weiterfahren, 25 Kilometer bis ins Nachtlager. Die Gezeiten machen uns einen Strich durch die Rechnung, das Wasser steht zu hoch. So müssen wir einen 80 Kilometer weiten Umweg durchs Inland machen, über unfassbar schlechte ‚Straße‘. Halbmeter tiefe Schlaglöcher, abgebrochene Randstreifen und zum Teil Verwehungen machen den Fahrern das Leben schwer. Kurz vor Sonnenuntergang erreichen wir eine Stelle, die den Führern genehm erscheint. Die ersten Autos fahren auf den Strand – der erste Mercedes liegt sofort fest. Also bleiben wir lieber oberhalb zwischen den Dünen und schlagen unser Lager auf, weit verstreut Urin den sandigen Hügeln.
In der Abenddämmerung ist es dann endlich soweit: Ich kann die ANGEL auspacken und den Meeresbewohnern nachstellen. Leider – gewohnt mieses Karma beim Fischen – interessiert sich kein Fischlein für meine bunten Köder. Da wird nix aus dem großspurig angekündigten gegrillten Fisch😧. Südheide hat aber Glück – Kate erbarmt sich und kocht in ihrem Camper unglaublich lecker vegetarisch für uns. Dafür werfen wir unsere letzten Rotweinreserven auf den Markt.
Ausgelaugt und zufrieden lassen wir den Tag um ein schickes Lagerfeuer ausklingen.
Strecke: ~150 Kilometer zwischendurch extrem anstrengend
Wetter: brütend heiß, am Strand erträglich
Team: nachdenklich bei dem vielen Elend, das wir sehen
Sir Lawrence: Gelegentlich quietscht der Keilriemen, und es klappert an verschiedenen Stellen