Tag 10 | Entlang der Küste Richtung Süden, Westsahara

Tarfaya, unser gestriges Etappenziel, ist scheinbar der Ort, an dem sich der Schriftsteller Antoine Saint Exupéry für den kleinen Prinzen hat inspirieren lassen. Jedenfalls sind sein Abbild und sein Flieger an mehreren Stellen des Ortes präsent, als wir morgens aufbrechen. Frühstück gab es keines, es gab nur ein Dach über dem Kopf.

Der erste Teil des Tages verläuft mehr oder weniger ereignislos. Ich sitze auch heute wieder am Steuer, es geht die Küste hinunter Richtung Westsahara. Mir ist immer noch nicht ganz klar, ob dieses Region als eigenständiges Land gilt oder nicht. Hier in Marokko sind jedenfalls alle davon überzeugt, dass die drei Bezirke dieses öden Gebietes Teil ihrer Nation sind. Ich sehe das für den Moment mal anders, denn FindPenguins beglückwünscht mich zu meinem 47.Länderpunkt, als wir die imaginäre Grenze überfahren. Mir soll’s recht sein. Am Ende des heutiges Tages werde ich sagen können, dass es nichts langweiligeres gibt, als flache Geröllwüste . Nur ab und zu eine Sanddüne zwischen dem Geröll und gelegentlich ein Dromedar. Die Straße geht zumeist schnurgeradeaus, viele Fahrzeuge sind nicht zu sehen und es fühlt sich an, als hätte ich das Lenkrad zwei Stunden nicht bewegt. Die ersten beiden Tankstellen, die wir anfahren, erzählen eine Geschichte von ‚es war einmal‘. Kein Sprit und kein Kaffee ist hier zu bekommen. Später kommen wir durch einen kleinen, langweiligen Ort, in dem es immerhin ein Kaffee gibt, das uns ein Omelett-Kebab serviert. Frühstück am frühen Nachmittag. Weiter geht es, immer weiter, nur durch hier und weg. Das Meer ist hinter kleinen Steindünen und einer kleinen Steilküste nicht zu sehen. Verwunderlich ist, dass alle paar Kilometer eine Hütte oder ein spartanisches kleines Häuschen steht, zumeist mit einem oder zwei Soldaten besetzt. Auf irgendetwas an der Küste scheinen die aufzupassen; es ist aber nicht zu erraten, um was es geht.

Irgendwann ergibt sich die Gelegenheit und wir fahren mit dem Wagen die Küste hinunter, direkt an den Strand. Vor uns erstreckt sich das türkisgrüne Meer, wunderbar. Ich will einen kleinen Stein aufheben und ins Wasser werfen – federleicht ist er. Es ist Styropor!! Ich sehe mich um, der ganze Strand ist total voller Plastikmüll, so dass mir fast die Tränen kommen. So furchtbar ist dieser Ort. Netze, Plastikflaschen, Ölkanister, Tüten, Schalen, schlicht alles, was die Wohlstandsgesellschaft an Verpackung und Zeugs so hervorbringt. Die Schattenseite, die Fratze der Zivilisation schaut uns hier mitten in’s Gesicht. Und nicht nur hier am Strand ist angeschwemmter Müll. Oben an der Straße gibt es keinen Kilometer, in dem nicht haufenweise achtlos zur Seite geworfenes Plastik herumliegt oder herumweht. Dieser Eindruck wird mich sicher noch sehr lange begleiten und bewegen. Was tun wir hier (und anderswo) der Umwelt an?

Mittlerweile sind es gefühlt 50 Grad in der Fahrerkabine und die Mondlandschaft nimmt kein Ende. Zwischendurch fällt die mobile Musikanlage wegen Temperaturüberschreitung aus. Mensch und Maschine schwitzen gleichermaßen, bei Sir Lawrence steht das Fieberthermometer der Kühlflüssigkeit am oberen Anschlag. Etwas weniger Geschwindigkeit verschafft Linderung. Ich lerne in diesr Hitze, wie gut warmes Wasser ohne Sprudel schmeckt. Gestern habe ich unterwegs auch schon zweieinhalb Liter Wasser getrunken.

Kurz vor Ad-Dakhla kommt Bewegung in den Tag. Wir können nochmal die Straße verlassen, denn uns lacht eine große Ebene an, die zum Wüstencruising einlädt. Schnell die Drohne und das Handy-Stativ ausgepackt und ein paar wunderbare Sandkasten-Aufnahmen mit unserem Frontera inklusive eindrucksvoller Staubwolken sind im Kasten. Das hat sich gelohnt!

Wir überholen ein paar Rallye-Teilnehmer und damit ist klar, dass wir den Tross eingeholt haben. Die Landschaft wird nun wieder interessanter, wir bekommen schöne, intensiv gefärbte Dünen rechts und links der Straße zu sehen und größere Gruppen von Dromedaren, auch mit Jungtieren. Auf der Küstenseite dominiert nun eine Steilküste, die den Namen auch verdient hat. Darunter das tosende Meer, die Brandung ist erheblich. Auf einem der Vorsprünge, die weiter hoch üben dem Strand herausragen, machen wir den nächsten Fotostopp. Drei andere DresdenDakar-Fahrer stehen dort bereits direkt an der bedenklich weit überstehenden Kante. Es werden grandiose Aufnahmen, bei denen auch endlich die Insta360 zum Einsatz kommt. Ja, Posing gehört auch dazu!

Der letzte Abschnitt der heutigen Etappe führt im weiten Halbrund auf eine 30 Kilometer lange Landzunge. Das Bild ändert sich schlagartig, einige Kitesurfer ziehen in der geschützten Bucht ihre Bahnen. In den großen Dünen ducken sich ein Ferienanlagen in den Sand, von weitem sehen sie sehr ansprechend aus. Wir haben über Booking direkt in der Stadt Ad-Dakhla gebucht, am Ende der Landzunge. Der Ort ist überraschend groß; ich lese nach, dass die Bevölkerung in den letzten 30 Jahren von 15.000 auf 130.000 angestiegen ist und weiter wächst. Es ist offensichtlich, dass die marokkanische Regierung hier durch Ansiedlung von Menschen Fakten schafft. Unglaublich viele neue mehrstöckige Wohnhäuser entstehen hier überall. Pelé hatte mir schon erzählt, dass die Einwohner in Westsahara 100 € im Monat staatliche Unterstützung bekommen. Klar, wie ein künftiges Referendum aussehen wird.

Das Leben in dieser Stadt erwacht nach Sonnenuntergang. Es sind überall Menschen in den Straßen. 90% der Mädchen und Frauen tragen traditionelle Gewänder mit mindestens Kopftuch, meist Chador oder Hijab. Durch die belebten Gassen dringen tausende Geräusche und Gerüche. Wir suchen uns ein Restaurant und bestellen frischen Salat, Burger bzw. gemischten Grillteller. So jedenfalls kann man das Menu am besten beschreiben. Ich habe heute außer dem Ei-Sandwich und einem Apfel noch nichts zu essen bekommen. Dann schauen wir in einem Café noch das hochdramatische Ende des spannenden EM-Quali-Spiels Ukraine gegen Italien.

Gegen 23:00 Uhr sind wir in unserer heute sehr luxuriösen Unterkunft. Ich schreibe Blog bis tief in die Nacht.

Die Bilder gibt es hier und hier. Ein Reel vom Posing genau hier.

Strecke: ~540 Kilometer entlang der Küste
Wetter: Es ist brutal heiß
Team: Entspannt aber auch zwischendurch gelangweilt
Sir Lawrence: Der Keilriemen steht unter Beobachtung

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert