In dem gut klimatisierten, dunklen Hotelzimmer schlafen wir heute herrlich lange aus. Frühstück um zehn, da kann ich noch die Blogs der letzten vier Wüstentage zu Ende schreiben und hochladen. Ihr habt ja lang nix von mir gehört/gelesen.
Als ich aus dem Frühstücksraum gehe, spricht mich ein junger arabischer Mauretanier an, auf nahezu perfektem Deutsch. Er stellt sich als Hassan vor, er hat zehn Jahre in Deutschland gelebt und Wirtschaftsingenieurwesen studiert. Die nächsten eineinhalb Stunden erzählt er uns unglaublich viel von sich und seinem Land. Schon im Studium an der TU Dresden hat er als ‚Relaisstation‘ zwischen mauretanischen und deutschen Firmen agiert – und nun hat er sich in seiner Heimat selbstständig gemacht. Sein Business: Projektentwicklung im Energiesektor.
Er erzählt viel von Land und Leuten, der auch für ihn unerträglich unambitionierten Mentalität seiner Landsleute. Lustig für mich ist, dass er gerade drei Maschinen von Bauer in Deutschland eingekauft hat – einem encoway-Kunden. In seiner weit verzweigten arabischen Verwandtschaft wird er als ‚der Deutsche‘ bezeichnet, der – vielleicht zu viel – die deutschen Mentalität adaptiert hat. Sein Ziel sei es, so sagt er, ein Stück deutscher Zielstrebigkeit und Zuverlässigkeit in sein Land zu importieren. Selbst ist er unsicher, ob das Gelingen kann.
Zum Schluss bekommen wir – durch einen Kurier – von ihm noch zwei SIM-Karten geschenkt, damit wir später bei unserer Exkursion in die Stadt auch eine Internet-Verbindung haben.
Gegen Mittag ziehen wir mit unserer Zeltplatz-Gruppe los in die Stadt. Zu acht wollen wir ein paar ‚Sehenswürdigkeiten‘ ablaufen. Präsidentenpalast, Moschee und natürlich den Markt.
Auf dem Weg sehen wir überall Straßenhändler, die Fahnen, Tücher und Vuvuzuelas in grün/rot/gelben Landesfarben verkaufen. Zuerst denken wir an ein Fußballspiel, denn das große Stadion ist direkt in der Nähe. Dann aber die Erkenntnis: Morgen ist Unabhängigkeitstag, da wird die Nacht durch gefeiert!
Der Präsidentenpalast ist eine Enttäuschung, ist weiträumig vom Militär abgeschirmt. Nicht mal ein Foto aus der Entfernung ist erlaubt. Auch die alte Moschee aus der Gründerzeit der Stadt ist wenig sehenswert. Dafür finden wir ein zehnstöckiges Hotel mit Dachterrasse, von wo aus wir einen tollen Blick über die Stadt genießen. Im Schatten und mit kühlen Getränken, denn in der Zwischenzeit ist es schon wieder unerträglich heiß geworden.
So erfrischt stürzen Cord und ich uns ins Getümmel des großen Marktes. Zunächst sehen wir Läden und fliegende Händler, die jede erdenkliche Form von Elektronik verbimmeln. Handyhüllen bis der Arzt kommt, gebrauche Ladegeräte jeder Art und Größe, kaputte Laptops und Bildschirme oder gar Kühlschranke. Die Gassen werden schmaler und die Läden abgefahrener. Ein unüberschaubares Durcheinander aus Nähstuben, Schlachtern, die gerade grobes Handwerk verrichten, Kochstellen, Repairshops, Friseueren, Gemüseständen und sogar Holzkohlehändlerinnen, die das schwarze Zeug stückweise verkaufen. Dazwischen Kinder, Eselkarren, Ziegen, Katzen – schlicht ein unfassbares Gewimmel aus Menschen, Tieren, Stimmen und Gerüchen. Die eindrucksvollsten Erscheinungen sind jedoch die älteren, in bunte Tücher kunstvoll gehüllten Frauen mit oft so markanten Gesichtszügen. Ich hoffe, dass die Fotos gut werden.
Es ist bunt, auch dreckig und unglaublich fremd, aber zu keinem Zeitpunkt fühle ich mich bedrängt oder empfinde gar Angst. Bei aller Armut und Hektik strahlen die Menschen hier doch eine angenehme Gelassenheit aus.
Den Kopf bis obenhin voller schwer verarbeitbarer Eindrücke geht’s zurück zum Hotel, zwei Stunden Siesta. Zum Abendessen treffen wir uns mit Micha und Franz bei einem Italiener. Es gibt zwar keine Pizza, dafür sind alle anderen von uns bestellen Gerichte wieder extrem lecker. Grüner Salat mit Tomaten und Mozzarella – hab ich in Europa auch nie besser gegessen.
Nach dem Essen machen sich Cord und Christoph wieder auf die Pirsch, um hopfenhaltige Getränke zu finden. Und tatsächlich, bei Org-Mann Falk im Hotel gibt es astrein gekühltes Dosenbier. Was für ein herrlicher Genuss.
Wir sitzen und quatschen noch eine Weile unter beleuchteten Bäumen, bevor wir uns auf den Weg zurück durch die Stadt machen.
Mittlerweile ist die halbe Stadt auf den Beinen, die meisten mit Fahnen und Tröten. Ein unglaublicher Lärm erfüllt die Stadt, denn die Menschen feiern in ihren Unabhängigkeitstag hinein. Unterwegs sehen wir noch riesige Flughunde, die sich aus den Bäumen erheben und durch Nacht gleiten.
Bierselig geht es kurz nach Mitternacht in die Koje. Morgen früh geht die Reise weiter.